Informationen zur ForuM-Studie zur sexualisierten Gewalt

Am 25.1.2024 wird die ForuM-Studie veröffentlicht. Hier sind die wichtigsten Informationen zur Studie und zum Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB zusammengefasst.

Was ist die ForuM-Studie?

Die Studie ist ein Forschungsprojekt, das von der EKD mit ihren 20 Landeskirchen und der Diakonie Deutschland beauftragt wurde. Die Kosten belaufen sich auf ca. 3,6 Millionen Euro. Alle 20 Landeskirchen beteiligen sich an der Finanzierung. Ziel ist ein einheitliches Vorgehen in allen evangelischen Kirchen in Deutschland.

ForuM ist ein unabhängiges Forschungsprojekt. Es umfasst ein Metaprojekt sowie mehrere Teilprojekte. Ein Verbundbeirat begleitet das Forschungsprojekt. Er besteht aus externen Wissenschaftlern, betroffenen Personen von sexualisierter Gewalt und kirchlichen Beauftragten. Die Webseite der ForuM-Studie finden Sie hier: https://www.forum-studie.de

Was macht die EKD mit den Ergebnissen?

Aufgrund der zu erwartenden komplexen Ergebnisse ist ein längerfristiger Auswertungsprozess erforderlich. Dabei werden viele Akteure eingebunden: Eine zentrale Rolle bei Auswertung und Rezeption der Ergebnisse spielt das Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD (Evangelische Kirche in Deutschland). In ihm arbeiten Betroffenenvertreter und kirchliche Beauftragte zusammen. Unabdingbar ist die Einbindung der gesamten evangelischen Kirche und ihrer Mitglieder, der Synoden aller Landeskirchen und ihrer Bildungseinrichtungen.

Ziel ist es, auf der EKD-Synode im November 2024 weitere Maßnahmen aufgrund der Studienergebnisse zu beschließen.

Was wird aktuell EKD-weit getan gegen sexualisierte Gewalt?

Für die Aufarbeitung der evangelischen Kirche sind vor allem wichtig:

  • Aufarbeitung (als Aufklärung von und Auseinandersetzung mit den Taten)
     
  • Unterstützung betroffener Personen
     
  • Prävention künftiger Fälle
     
  • Intervention bei aktuellen Fällen

Konkret wird zurzeit im Beteiligungsforum (also zusammen mit den Betroffenenvertretern) und in der evangelischen Kirche v.a. daran gearbeitet:

  • Einführung regionaler unabhängiger Aufarbeitungskommissionen als nächster Schritt der Aufarbeitung
     
  • Verbesserung und Vereinheitlichung von finanzieller Anerkennung für betroffene Personen
     
  • Bessere Unterstützung betroffener Personen in kirchlichen Disziplinarverfahren
     
  • Schaffung einer digitalen Vernetzungsplattform für betroffene Personen
     
  • Flächendeckende Umsetzung der hohen Präventionsstandards der Gewaltschutzrichtlinie 
     
  • Ausführliche Infos der EKD zum Umgang mit sexualisierter Gewalt finden Sie hier
     

Haltung der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern zu sexualisierter Gewalt

Sexualisierte Gewalt ist das Gegenteil unseres Glaubens und Auftrags. Hier werden Menschen erniedrigt, körperlich und psychisch verletzt. Gerade die psychischen Wunden verheilen oft nie mehr. Deshalb stehen wir an der Seite der betroffenen Personen.

Dass in unseren kirchlichen und diakonischen Einrichtungen Menschen sexualisierte Gewalt erfahren haben, beschämt uns. Es ruft uns zum konsequenten Handeln auf. Wir müssen aufarbeiten, dass in den christlichen Kirchen der Schutz von Amtsleuten immer wieder höher bewertet wurde als der Schutz und die Begleitung Betroffener. Deshalb engagieren wir uns gegen sexualisierte Gewalt in unseren eigenen Reihen. Wir kooperieren selbstverständlich und uneingeschränkt mit den staatlichen Ermittlungsbehörden und bieten den Betroffenen Begleitungsmöglichkeiten an. Wir lernen aus Fehlern der Vergangenheit und schaffen jetzt und in Zukunft sichere Räume des Zusammenlebens in Kirche und Diakonie.

Was wird in der bayerischen Landeskirche gegen sexualisierte Gewalt getan?

Das Präventionsgesetz (in Kraft getreten am 01.12.2020) verbietet jede Form von sexualisierter Gewalt (viel weitergehend als das Strafrecht) und hat Schutz- und Präventionsstrukturen errichtet.

Eingerichtet wurden Präventions- und Aufarbeitungsstrukturen:

Schulungskampagne zur Prävention vor sexualisierter Gewalt

In der Folge des Präventionsgesetzes (von der Landessynode verabschiedet 2020) wurde 2021 ein Rahmenschutzkonzept beschlossen. In diesem Rahmenschutzkonzept sind die Bausteine für die zu erstellenden Schutzkonzepte auf allen Ebenen festgehalten. Ein Schutzkonzept umfasst den Rahmen, um sexualisierter Gewalt vorzubeugen und im Verdachtsfall handlungsfähig zu ein.

Unsere Zielsetzung: Alle Kirchengemeinden, Dekanate, Einrichtungen und Dienste der ELKB und der Diakonie Bayern sollen bis Ende 2025 eine eigene Risikoanalyse und ein eigenes Schutzkonzept erarbeiten. Zudem sollen alle haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitenden der Kirche und Diakonie eine Basisschulung zum Thema Prävention vor sexualisierter Gewalt erhalten, Ansprechpersonen und Präventionsbeauftragte benannt werden. Verantwortlich für die Umsetzung sind der Kirchenvorstand bzw. die Leitung der Einrichtung.

Intervention

Die Meldestelle der ELKB arbeitet seit 2019, die der Diakonie Bayern seit 2020.

Die ELKB begrüßt es, wenn bei einem Verdachtsfall die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird. Denn nur die Staatsanwaltschaft hat umfassende Möglichkeiten zu ermitteln. Die ELKB hat keine eigenen Ermittlungsbehörden, und ist den staatlichen strafrechtlichen Rahmenbedingungen unterworfen.

Grundsätzlich empfehlen wir die Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch die betroffenen Personen selbst. Eine Strafanzeige durch die Kirche erfolgt in der Regel mit dem Einverständnis der betroffenen Personen, oder in begründeten Fällen, um weiteren Schaden für andere Menschen abzuwenden und bei schweren Straftaten.

Im Verdachtsfall unterstützen die Mitarbeitenden der Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) die betroffene Person. In der Aufarbeitung wird auch das soziale und räumliche Umfeld einbezogen, denn die Dynamiken sexualisierter Gewalt wirkten ausgreifend, etwa durch Schweigegebote, Manipulation oder Demütigung. Daher ist die Intervention und Aufarbeitung nicht nur ein Thema für die betroffenen Personen, sondern auch für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen. Dazu berät u.a. die Meldestelle.

Anerkennungskommission hat Unterstützungsleistungen zuerkannt

Zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in ihrem Verantwortungsbereich gibt es in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern seit 2015 die „Anerkennungskommission zur Gewährung von Leistungen in Anerkennung erlittenen Unrechts an Betroffene sexualisierter Gewalt“.

Betroffene haben die Möglichkeit, eine finanzielle Leistung zu beantragen. Die Beschäftigung der Kommission mit der Geschichte der Betroffenen soll dazu beitragen, das Unrecht, das Betroffenen im Verantwortungsbereich von Kirche und Diakonie angetan wurde, wahrzunehmen. Die finanziellen Leistungen sollen die noch andauernden Folgen der erlittenen sexualisierten Gewalt zumindest zu mildern und die Anerkennung des Unrechts zum Ausdruck bringen.

Die Anerkennungskommission ist interdisziplinär zusammengesetzt (aus Jura, Kriminologie, Psychologie, Theologie, Soziale Arbeit, Psychotraumatologie). Anerkennungsleistungen werden weisungsunabhängig und individuell entschieden, die Höhe orientiert sich an der zivilrechtlichen Vergabe von Schmerzensgeld.

In den 75 Fällen, die von der Anerkennungskommission behandelt wurden, sind Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen von mehr als 1.500.000 Euro zuerkannt worden. Seit dem 01.05.2022 liegt der Rahmen gemäß der überarbeiteten Ordnung der Anerkennungskommission zwischen 5.000 und 50.000 Euro.

Zahlen zur sexualisierten Gewalt in der bayerischen Landeskirche

Bei der Entscheidung, wann ein Fall von sexualisierter Gewalt gegenüber Minderjährigen vorlag, wurde der Begriff „sexualisierte Gewalt“ weit gefasst und jedes die sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigende Verhalten aufgenommen. Das bedeutet, dass bei den erfassten Fällen sowohl solche dabei sind, die eine strafrechtliche Relevanz haben, als auch solche, die ein nicht strafrechtlich relevantes grenzverletzendes oder übergriffiges Verhalten betreffen.

Zahlen sexualisierter Gewalt, die an die ForuM-Forscher gemeldet wurden

Der Zeitraum der ForuM-Studie und die genannten Zahlen beziehen sich bis einschließlich auf das Jahr 2020. Die ForuM-Studie erfasst alle Fälle sexualisierter Gewalt, die der Landeskirche bekannt geworden sind, insbesondere seit 1999 über die Ansprechstelle und seit 2019 über die Meldestelle. Darüber hinaus wurden alle Disziplinarakten der Pfarrpersonen, die ab 1945 bei der ELKB beschäftigt waren, überprüft und bei Taten sexualisierter Gewalt an Minderjährigen in die Studie einbezogen.

In der Summe hat die ELKB 129 beschuldigte Personen und 226 Taten an die Forschenden des ForuM-Projekts gemeldet. Die Akten, aus denen diese Personen ermittelt wurden, erstrecken sich über einen Zeitraum von über hundert Jahren (1917 bis 2020). In einigen Akten tauchten Hinweise zu mutmaßlichen weiteren Taten auf, zu denen keine weiteren Informationen (wie Namen der Betroffenen oder tatsächlicher Tathergang etc.) auffindbar waren. Wenn diese mutmaßlichen Taten dazugerechnet werden, muss von 253 Taten ausgegangen werden.

Die ELKB hat fristgerecht die Zahlen den Forschenden bereitgestellt. Ein zwölfköpfiges, interdisziplinäres Team befasste sich über Monate ausschließlich mit der Auswertung der Akten für die ForuM-Studie.

Von den 129 beschuldigten Personen, die die ELKB den Forschenden übermittelt hat, sind 56 Pfarrpersonen. Die anderen sind (in absteigender Häufigkeit): Erzieher (in Heimen), ehrenamtliche Jugendleiter und Kirchenmusiker.  Die ForuM-Studie erfasst allerdings ausschließlich Fälle, bei denen die betroffenen Personen minderjährig sind.

Anzahl der Meldungen sexualisierter Gewalt nach 2020

2021:            24 Meldungen
2022:            39 Meldungen
2023:            32 Meldungen

Wie geht die Landeskirche mit den Ergebnissen der ForuM-Studie um?

ForuM ist ein Teil unseres entschlossenen Einsatzes gegen sexualisierte Gewalt. Wir erwarten eine objektive und unabhängige Analyse, welche institutionellen Rahmenbedingungen zu den Fällen sexualisierter Gewalt beigetragen oder sie zumindest begünstigt haben. Wir hoffen auch, dass die Wissenschaftler Handlungsempfehlungen aussprechen. Die ForuM-Studie wird uns damit helfen, die Fälle sexualisierter Gewalt im kirchlichen Umfeld besser zu verstehen, besser mit den betroffenen Personen umzugehen und das Auftreten sexualisierter Gewalt in Zukunft besser zu verhindern.

Wo gibt es weitere Informationen zu diesem Thema?

Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB
Evang.-Luth. Kirche in Bayern
Katharina-von-Bora-Str. 7-13
80333 München
Telefon: 089 5595-522
Mobil: 0173 3248322

Leitung: Martina Frohmader
Mail: martina.frohmader@elkb.de
Mail: FachstelleSG@elkb.de
www.aktiv-gegen-missbrauch-elkb.de
 

(Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB)
Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit/Publizistik
in München
und Evang.-Luth. Dekanat Weiden)